Der TV Jahn Schneverdingen wird beste Vereinsmannschaft der Welt!
Sonntag, 16.36 Uhr Ortszeit im brasilianischen Curitiba. Sie ist zum Greifen nahe, die Chance für die Faustballerinnen des TV Jahn Schneverdingen. Im Endspiel des World Tour Finals, der Weltmeisterschaft für Vereinsteams, steht es für die Heidschnucken im fünften Satz 10:6 gegen das brasilianische Team von Clube Duque de Caxias, als Angreiferin Aniko Müller bei der Angabe steht. Ein Punkt ist der TV Jahn noch vom größten Erfolg der Vereinsgeschichte seit 2002 entfernt. Müller prellt den Ball, blickt auf die gegnerische Defensive. „Duque, Duque“-Rufe der brasilianischen Fans schallen über den Platz. Müller atmet tief durch. Mit vier Schritten nimmt sie Anlauf, wirft den Ball hoch und schlägt ihn in Richtung Grundlinie. Mit vereinten Kräften können die Brasilianerinnen ihn abwehren. Doch das Zuspiel ist zu weit, Duque-Angreiferin Cristiane Husaka kann nur noch in die Leine greifen. Das ist die Entscheidung! Der TV Jahn Schneverdingen ist das beste Faustball-Team der Frauen weltweit.
75 Minuten zuvor: Alles ist angerichtet und für die meisten der rund 1.200 Zuschauerinnen und Zuschauer steht der Sieger bereits fest. Für Clube Duque de Caxias, das Heimteam, gibt es auf eigener Anlage nur ein Ziel: der Titelgewinn. Es ist sowas wie die Höhle des Löwen, in die sich die Faustballerinnen des TV Jahn Schneverdingen an diesem Sonntagnachmittag begeben. Zum ersten Mal seit 2007 haben die Heidschnucken die Chance, sich zum besten Vereinsteam der Welt zu krönen.
Die Ausgangslage könnte dabei kaum besser sein. Zwei Siege hat das Team von Trainerin Christine Seitz aus den drei Vorrundenspielen geholt. Gegen Clube Mercês (11:6, 11:8, 11:6) aus Brasilien und ASKÖ Seekirchen (11:6, 11:9, 11:7) aus Österreich gewinnt der amtierende Deutsche Meister seine beiden Spiele ohne einen Satzverlust. „Gegen Mercês haben wir uns noch schwer getan, waren nicht sicher genug“, sagt Kapitänin Laura Kauk: „Gegen Seekirchen haben wir dann über weite Strecken richtig guten Faustball gespielt.“ Es ist für das Team von Trainerin Seitz und Co-Trainer Olaf Neuenfeld eine einzige Niederlage, die im Turnierverlauf zu Buche steht: das 0:3 (8:11, 5:11, 10:12) aus dem letzten Vorrundenspiel gegen Duque de Caxias. Dem TV Jahn ist der Halbfinaleinzug zu diesem Zeitpunkt bereits nicht mehr zu nehmen, Duque hat nur mit einem Sieg die Chance auf das Weiterkommen. „Wir sind überhaupt nicht zurechtgekommen, Duque hat uns förmlich überrannt“, berichtete Jahn-Angreiferin Helle Großmann: „Wir haben eigentlich erst im dritten Satz zu unserem Spiel gefunden.“ Dabei hatte ihr Team sogar einen Satzball. Doch dieser blieb ungenutzt und am Ende stand die etwas überraschend klare Niederlage.
Als Gruppenzweiter steht im Halbfinale das „ewige Duell“ gegen den TSV Dennach auf dem Programm. Und dieses Duell hat es, wie schon so oft in der Vergangenheit, in sich. Beim letzten Aufeinandertreffen Ende August beim Champions Cup hatte noch der TSV den Sieg in einem hochklassigen Spiel eingefahren. In Brasilien präsentiert sich nun der TV Jahn in den entscheidenden Phasen abgezockter, holt Rückstände auf und beweist bei taktischen Neuformationen ein glückliches Händchen. Mit 3:1 (11:9, 8:11, 13:11, 11:7) feiert Schneverdingen den Finaleinzug. „Entscheidend war sicherlich, dass wir den dritten Satz noch gedreht haben“, sagte Zuspielerin Hinrike Seitz, die mit ihrer mehr als überzeugenden Leistung in einem Voting von den gegnerischen Trainern ins Allstar-Team berufen wurde. Beim Stand von 3:9 sprach alles für einen Schneverdinger Satzverlust und die Dennacher Satzführung. Doch die Heidschnucken glichen mit sechs Punkten in Folge wieder aus, wehrten im Anschluss zwei Satzbälle ab und machten dann selbst die Satzführung perfekt. „Wir haben trotz des Rückstandes an uns geglaubt. Was wir dort an Mentalität gezeigt haben, war wirklich stark“, so Seitz.
Der verspielte Gruppensieg schärfte noch einmal die Sinne und die Konzentration. Der starke Halbfinalsieg gegen Dennach gab zusätzliche Sicherheit für das erneute Aufeinandertreffen mit den Gastgeberinnen im Endspiel. „Uns war allen bewusst, dass wir uns keine Fehler erlauben dürfen und die gesamte Spielzeit über hochkonzentriert bleiben müssen“, berichtete Abwehrspielerin Luca von Loh, die ebenfalls mit herausragenden Aktionen überzeugte und zur besten Spielerin hinten rechts geehrt wurde.
„Das war schon etwas Besonderes“, gestand Trainerin Seitz: „Diese Lautstärke während eines gesamten Spiels gegen uns kennen wir so nicht.“ Doch davon ließen sich die Schneverdingerinnen nicht beeindrucken. In einem Duell auf Augenhöhe lieferten sich beide Teams einen offenen Schlagabtausch. Duque verkürzte dabei einen 0:2-Rückstand auf 1:2, hatte sogar die Chance auf den 2:2-Ausgleich. Doch in der entscheidenden Phase behielt Schneverdingen die Oberhand und feierte so den Triumph als beste Vereinsmannschaft der Welt (11:7, 11:9, 9:11, 13:11, 11:6) – zum ersten Mal seit 2002 (Windhoek/Namibia). Als Cristiane Huaska um 16.36 Uhr die Leine berührt, steht die Krönung des TV Jahn Schneverdingen zur weltbesten Vereinsmannschaft fest. „Das war ein so unbeschreibliches Gefühl“, blickt Angreiferin Müller auf den Moment der Entscheidung zurück. Ebenso stolz zeigt sich Co-Trainer Neuenfeld „Wir haben uns mit diesem Erfolg einfach für die harte Arbeit in den vergangenen Monaten und Jahren belohnt.“
Dieser Titelgewinn ist nicht nur für die Geschichte des TV Jahn etwas ganz besonderes, sondern auch für jede einzelne Spielerin persönlich. Trotz der vielen Erfolge der Jahnlerinnen stand noch nie zuvor eine der Spielerinnen in einem Weltpokalfinale. Einzig und allein Co-Trainer Neuenfeld gelang es 1997, damals noch als Spieler, den höchstmöglichen Meistertitel auf der Vereinsebene zu gewinnen.
Die Bronzemedaille gewann Union Nussbach (Österreich) vor dem TSV Dennach. Insgesamt nahmen acht Teams der Frauen vom 19. bis 22. Oktober am World Tour Finale in Curitiba teil.
Zum Einsatz kamen: Helle Großmann, Aniko Müller, Hinrike Seitz, Luca von Loh, Lena Meyer, Kimberly Groß und Laura Kauk